Abfindung eines Geschäftsführers

Verfahrensgang

Gericht: OLG München 1. Zivilsenat Entscheidungsdatum: 29.05.2008 Aktenzeichen: 1 U 4331/07 vorgehend LG Landshut, 7. August 2007, Az: 55 O 816/07, Urteil

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 07.08.2007 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

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Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung wegen Druckkündigung seiner Arbeitsverhältnisse.

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Der Kläger war vom 01.01.1993 bis 30.06.2005 Hauptgeschäftsführer des Landesverbandes Bayern ... e. V. (nachfolgend: ...-Gewerbeverband) und Hauptgeschäftsführer des Landesinnungsverbandes ... (nachfolgend: Landesinnungsverband) sowie Geschäftsführer der Gesellschaft ... mbH und Geschäftsführer der Gesellschaft ... mbH.

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Die beklagte Innung ist Mitglied des Landesinnungsverbandes und dieser Mitglied des ...-Gewerbeverbandes. Der ...-Gewerbeverband ist alleiniger Gesellschafter der Gesellschaft zur Vermietung von Wirtschaftsgütern im Bayerischen ...gewerbe mbH und diese alleinige Gesellschafterin der Gesellschaft zur Förderung des Bayerischen ...handels und ...gewerbes mbH.

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Maßgebliche Mitglieder des Landesinnungsverbandes sind die Bayerischen Innungen, unter anderem die Beklagte. Bei ihnen liegt das Stimmgewicht in der Mitgliederversammlung als oberster Instanz des Verbandes. Die Innungen bringen ca. 90 % der Gesamthaushaltseinnahmen des Landesinnungsverbandes auf. Innerhalb des ...-Gewerbeverbandes üben die Innungen ebenfalls die stimmstärkste Kraft aus.

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Am 26.11.2004 (Anlage K 7) beantragten die Obermeister von sechs Innungen, unter anderem auch der Beklagten, eine Sitzung des Gesamtvorstandes der Bayerischen ...-Verbände einzuberufen und zu beschließen, die Dienstverhältnisse des Klägers außerordentlich zu kündigen, da das notwendige Vertrauensverhältnis zum Kläger nicht mehr gegeben sei. Mit sieben teils gleichlautenden Schreiben vom Januar 2005 (Anlagen K 10 bis K 16) an den ...-Gewerbeverband und den Landesinnungsverband forderten die einzelnen Innungen die Beschlüsse der Präsidiumssitzung der Verbände vom 26.11.2004, wonach die Dienstverhältnisse des Klägers mit dem ...-Gewerbeverband, dem Landesinnungsverband und den angegliederten Gesellschaften beendet werden sollen, sofort zu vollziehen. Die Beklagte behauptete in ihrem Schreiben, der Kläger hätte das Präsidium, den Vorstand des Landesinnungsverbandes und die einzelnen Innungen massiv getäuscht und ihnen erheblichen finanziellen Schaden zugefügt. Für den Fall, dass den Forderungen der Innungen nicht nachgekommen werden sollte, drohten diese, notfalls unter Inkaufnahme von dessen Auflösung, mit ihrem Austritt aus dem Verband.

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Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage gegen den ...-Gewerbeverband, den Landesinnungsverband und die beiden angegliederten Gesellschaften. Nach Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht München I schlossen die Parteien am 28.03.2006 einen Vergleich (Anlage K 21), in dem sie sich darüber einigten, dass die zwischen ihnen bestehenden Dienstverhältnisse aufgrund betrieblich veranlasster Arbeitgeberkündigungen mit Ablauf des 30.06.2005, bei Fortzahlung der Bruttobezüge des Klägers in Höhe von rund 70.288,66 € bis zu diesem Zeitpunkt, beendet wurden. Des Weiteren erhielt der Kläger eine soziale Abfindung in Höhe von brutto 580.000,00 €. Die Kosten des Rechtsstreits übernahmen die damaligen Beklagten. Der Vergleich war, da er der Zustimmung der Mitgliederversammlungen des ...-Gewerbeverbandes und des Landesinnungsverbandes bedurfte, für die Beklagten widerruflich. Auf der Mitgliederversammlung vom 29.04.2006 wurde dem Vergleich zugestimmt und dieser nicht widerrufen.

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Der Kläger hat im ersten Rechtszug vorgebracht, dass die sieben Innungen, um gegen ihn eine Druckkündigung zu inszenieren, bewusst zu dem Zwecke, ihn ohne Zahlung einer Abfindung als Hauptgeschäftsführer loszuwerden, haltlose Vorwürfe erhoben hätten. Die in den Schreiben der sieben Innungen vom Januar 2005 (Anlagen K 10 bis K 16), insbesondere in den Schreiben der Beklagten sowie der Innung Augsburg/Schwaben, erhobenen Vorwürfe seien ohne jede Grundlage. Es sei insbesondere auch unzutreffend, dass dem Kläger beim Einkauf von AU-Plaketten Unregelmäßigkeiten unterlaufen seien.

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Die Abfindung aus dem vor dem Landgericht München I geschlossenen Vergleich gleiche den Schaden, den der Kläger durch den Verlust seiner Beschäftigungsverhältnisse erlitten habe, nicht aus. Abzüglich der Zahlungen aus dem Vergleich und des Arbeitslosengeldes ergebe sich für den Kläger, der wegen seines Alters auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar sei, ein verbleibender Schaden von mindestens 385.442,91 €. Die Geltendmachung dieses Schadens habe sich der Kläger im Verfahren vor dem Landgericht München I ausdrücklich vorbehalten. Einen Teilbetrag von 100.000,00 € mache der Kläger im streitgegenständlichen Verfahren geltend. Der Vergleich aus dem Vorprozess stehe dem nicht entgegen. Die Beklagte sei nicht Partei des Vergleichs gewesen. Die einzelnen Innungen seien von den damaligen Streitparteien vielmehr als Dritte angesehen worden.

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Zudem verlangt der Kläger Schmerzensgeld sowie Ersatz vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 2.850,35 €.

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Die Beklagte müsse gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG für das Verhalten ihres damaligen Vorstandsvorsitzenden E., der bewusst Lügen verbreitet habe, um den Kläger loszuwerden, einstehen.

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Wegen weiterer Schäden nimmt der Kläger die Innung Unterfranken vor dem Landgericht Würzburg in Anspruch. Gegen das klageabweisende Urteil vom 30.10.2007 hat der Kläger kein Rechtsmittel eingelegt.

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Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt:

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1. Die Beklagte wird verurteilt, 100.000,00 € nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank hieraus seit dem 01.07.2005 zu bezahlen.

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2. Die Beklagte wird verurteilt, 2.850,35 € nebst 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank hieraus seit dem 01.11.2006 zu bezahlen.

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3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

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Die Beklagte hat im ersten Rechtszug

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Klageabweisung

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beantragt.

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Sie hat die Auffassung vertreten, dass mit dem Vergleich vom 28.03.2006 etwaige Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte mit abgegolten seien. Zweck des Vergleichs sei es gewesen, sämtliche Ansprüche des Klägers aus den streitgegenständlichen Beschäftigungsverhältnissen abzugelten. Nur unter dieser Prämisse habe die Beklagte auf der Mitgliederversammlung vom 29.04.2006 dem Vergleich zugestimmt. Der Kläger habe sich im Vergleich die Geltendmachung weiterer Ansprüche gegen die Innungen nicht vorbehalten. Auch wenn die Beklagte nicht Vergleichspartei gewesen sei, käme diesem dennoch Gesamtwirkung auch im Verhältnis zwischen dem Kläger und den Innungen zu. Mit dem Vergleich seien alle Ansprüche des Klägers endgültig abgegolten worden. Dies ergebe sich auch aus der Höhe der Abfindung von 580.000,00 € zuzüglich fortgezahlter Bezüge in Höhe von 70.288,67 €.

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Im Übrigen sei das Verhältnis zwischen dem Kläger und dessen Arbeitgebern so zerrüttet gewesen, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr denkbar gewesen sei. Der Kläger habe massives Fehlverhalten bei der Führung von Sitzungsprotokollen, der geplanten Verlegung der Geschäftsstelle des Verbandes, Tarifverhandlungen im Bereich der Berufsbildung und beim Ein- und Verkauf von AU-Plaketten an den Tag gelegt. Die Schreiben der Innungen seien deshalb eine angemessene Reaktion auf das Verhalten des Klägers gewesen.

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Der Schaden des Klägers sei auch der Höhe nach zu bestreiten. Im Übrigen wäre eine etwaige Pflichtverletzung auch nicht kausal für den vom Kläger geltend gemachten Schaden. Dieser habe, statt die Kündigungsschutzklage durchzufechten, freiwillig einen Vergleich abgeschlossen

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Mit Urteil vom 07.08.2007, der Klägervertreterin zugestellt am 24.08.2007, auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht Landshut die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 29.08.2007 eingelegte und nach Fristverlängerung am 24.11.2007 begründete Berufung des Klägers.

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Der Kläger bringt vor, dass die Wirksamkeit des Vergleichs vom 28.03.2006 entgegen der Einschätzung des Landgerichts nicht von der Zustimmung der Innungen sondern der der Mitgliederversammlung des Landesinnungsverbandes abhängig gewesen sei. Die Zustimmung der Innungen selbst sei nicht erforderlich gewesen.

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Die Beklagte sei nicht Vergleichspartei gewesen. Folglich könne sie sich auch nicht auf die Abgeltungsklausel berufen.

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Eine Gesamtschuldnerschaft zwischen den früheren Arbeitgebern des Klägers und der Beklagten komme nicht in Betracht.

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Der Kläger beantragt:

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1. Das Urteil des Landgerichts Landshut vom 07.08.2007, Az. 55 O 816/07, wird aufgehoben und der Klage wird stattgegeben.

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2. Sofern nicht stattgegeben wird, wird hilfsweise das Verfahren an das zuständige Landgericht zurückverwiesen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Abgeltungsklausel aus dem Vergleich vom 28.03.2006 die streitgegenständlichen Ansprüche von vornherein ausschlösse. Der Kläger wolle entgegen seinem eigenen erstinstanzlichen Vorbringen die enge wirtschaftliche und tatsächliche Verflechtung zwischen den Innungen und dem Landesinnungsverband in Abrede stellen. Mit dem Vergleich vom 28.03.2006 sei eine endgültige und umfassende Regelung getroffen worden.

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Im Übrigen wird bezüglich des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz auf die Schriftsätze des Klägers vom 24.11.2007 sowie vom 10.03. und 21.04.2008 und auf die Schriftsätze der Beklagten vom 15.01., 04.04. und 30.04.2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

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1. Die Beklagte war zwar nicht Vertragspartei des Vergleichs vom 28.03.2006. Dennoch kann sie sich unter dem Gesichtspunkt des echten Vertrages zugunsten Dritter (§ 328 BGB) auf die Abgeltungsklausel gemäß Ziffer 6 des Vergleichs berufen. Die Frage der Gesamtschuldnerschaft zwischen den früheren Arbeitgebern des Klägers und der Beklagten spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.

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Wie erwähnt kann sich die Beklagte nach dem Wortlauf des Vergleichs - „Parteien“ - nicht auf diesen berufen. Die Auslegung des Vergleichs darf jedoch nicht bei diesem oberflächlichen Befund Halt machen. Das Landgericht Würzburg hat unter Buchstabe a) der Entscheidungsgründe des Urteils vom 30.10.2007 überzeugend dargelegt, zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen, dass der Vergleich dahingehend lückenhaft ist, dass Ansprüche des Klägers gegen die Innungen ausdrücklich weder vorbehalten noch ausgeschlossen sind.

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2. Die vorgenannte Regelungslücke ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung mit dem hypothetischen Parteiwillen zu füllen. Dabei ergibt sich, dass mit dem Vergleich im Vorprozess eine Gesamtabgeltung der Ansprüche des Klägers auch gegenüber der Beklagten verbunden war. Die Beklagte ist nicht Dritte im üblichen Sinne. Sie ist vielmehr, was der Kläger selbst erstinstanzlich vorgetragen hat, auf das Engste wirtschaftlich und rechtlich mit der Vergleichspartei Landesinnungsverband verbunden. Auch auf die weitere Vergleichspartei ...-Gewerbeverband besteht nach dem Vorbringen des Klägers, worauf es aber letztlich nicht mehr ankommt, ein maßgeblicher Einfluss. Nur so wird das Vorbringen des Klägers, dass ihn die Innungen aus seiner Position bei den Vergleichsparteien, seinen Arbeitgebern, herausdrängen wollten und konnten, erklärlich und plausibel. Noch im Berufungsrechtszug - Seite 4 des Schriftsatzes vom 10.03.2008 - macht der Kläger, allerdings in einem anderen Zusammenhang, geltend, dass die Innungen den Innungsverband lieber aufgelöst hätten als mehr zu zahlen wie im Vergleich vorgesehen. Dies zeigt zum einen mit aller Deutlichkeit die enge Verflechtung der Innungen mit und den Einfluss der Innungen auf den Landesinnungsverband. Zum anderen wird deutlich, dass, von wem auch immer, nicht mehr wie die Vergleichssumme gezahlt werden sollte.

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Darauf, ob die Mitglieder der Innungsverbandsversammlung, die den Vergleich genehmigen mussten, weisungsgebunden waren oder nicht, kommt es entgegen der Einschätzung des Klägers nicht entscheidend an. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass auch weisungsungebundene Mitglieder der Versammlung keinen Anlass hatten, sich gegen die Interessen ihres Verbandes oder gar gegen die Interessen des sie delegierenden Mitgliedes, das heißt gerade der Innungen, zu stellen.

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Wesentlich für die Erstreckung der Abgeltungsklausel auf die Beklagte spricht auch der Umstand, dass diese zahlendes Mitglied der Vergleichspartei Landesinnungsverband ist, wobei nach dem Vorbringen des Klägers die Beiträge der Innungen nicht nur einen Teil sondern den wesentlichen Anteil am Haushalt des Landesinnungsverbandes ausmachen. Mithin ist die Beklagte zwar nicht formell aber wirtschaftlich Partei des Vergleichs. Die Zahlung einer namhaften Vergleichssumme an den Kläger macht für den Innungsverband, was auch für den Kläger, dem die Verhältnisse aus seiner beruflichen Tätigkeit bestens bekannt sind, offenkundig war, nur dann Sinn, wenn die Angelegenheit damit endgültig geklärt und abgegolten ist. Die Mitglieder des Landesinnungsverbandes hatten bereits über ihre Mitgliedsbeiträge die Vergleichssumme finanziert. Der Kläger konnte billigerweise nicht davon ausgehen, dass die Innungen erneut in Anspruch genommen werden können.

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3. Das vorgenannte Ergebnis wird entgegen der Einschätzung des Klägers nicht durch das vom Kläger im Schriftsatz vom 21.04.2008 herangezogene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.05.1988 - III ZR 32/87 - in Frage gestellt. Das Urteil des Bundesgerichtshofs beschäftigt sich mit der Frage der Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch Abschluss eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs. Darauf kommt es hier jedoch nicht an. Vielmehr fußt die Entscheidung des Senats entscheidend auf der Auslegung des Vergleichs vom 28.03.2006.

40
4. Angesichts der vorgenannten Sach- und Rechtslage kommt die hilfsweise beantragte Zurückverweisung an das Landgericht nicht in Betracht.

II.

41
1. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

42
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.