Die Baulücke bleibt offen

Hat Recht bekommen mit seiner Klage gegen den Bebauungsplan: Manfred Kempf. Er befürchtete, dass sein Haus (im Hintergrund) an der Heimbuchenthaler Hauptstraße von einem Reihenhauskomplex erschlagen würde, wenn er auf der Freifläche daneben entstünde. Foto: Harald Schreiber

Urteil: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof erklärt Heimbuchenthaler Bebauungsplan für unwirksam - Erfolg für Nachbarn

(Artikel vom 1.2.2013, erschienen im Main Echo - zum Beitrag im Original)

Die um­s­trit­tens­te Heim­bu­chentha­ler Baulü­cke bleibt vo­r­erst of­fen. Der Baye­ri­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof (VGH) hat den Be­bau­ungs­plan Haupt­stra­ße-Mit­tel­dorf für un­wirk­sam er­klärt. Ei­ne Re­vi­si­on ist nicht zu­ge­las­sen. Die­ses Ur­teil, das der VGH be­reits um Weih­nach­ten ge­fällt hat und des­sen Be­grün­dung nun vor­liegt, ist ei­ne her­be Nie­der­la­ge für die Ge­mein­de.

Es betont zudem die Interessen des Klägers und Baulücken-Nachbarn Manfred Kempf.

»Floskelhafte Ausführungen«

Die höchsten Verwaltungsrichter im Freistaat, die einen vorläufigen Schlussstrich unter einen jahrelangen politischen und juristischen Streit ziehen (siehe »Hintergrund), gehen im Urteil mit der Gemeinde Heimbuchenthal hart ins Gericht: Sie habe mit der Aufstellung des Bebauungsplans, der einen geschlossenen (Reihen-) Hauskomplex zwischen dem Anwesen Kempf (Hauptstraße 98) und der Hausnummer 104 zugelassen hätte, die Belange des Nachbarn Kempf schlicht »verkannt«.
Schlimmer noch: Auf Kempfs Einwände sei die Gemeinde nur mit »teilweise floskelhaften« Ausführungen eingegangen, sie lasse gar eine »substanziierte Auseinandersetzung« mit seinen Belangen nicht erkennen. Im Vordergrund hätten für die Gemeinde »offensichtlich die Wünsche der privaten Grundstückseigentümer im Plangebiet« gestanden, welche die schmalen Grundstücke »möglichst intensiv« bebauen wollten.

Wie im »Gefängnishof«

Im Grundsatz folgt der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Kempfs Argumentation: Er hatte, vertreten durch die Würzburger Bau- und Verwaltungsrechtlerin Elisabeth Gabler, in seiner Normenkontrollklage unter anderem argumentiert, die laut Plan zulässige Bebauung »erdrücke« sein Haus. Weil unmittelbar auf der Grenze zu seinem Garten, wie vom Gericht später bestätigt, auf fünf Metern Länge eine zehn Meter hohe Hauswand erlaubt wäre, entstünde eine regelrechte »Gefängnishofsituation«.
Überhaupt sei der ganze Plan »rücksichtslos« ihm gegenüber. Überdies habe die Gemeinde weder den Schallschutz ausreichend berücksichtigt noch den Brandschutz und habe zu wenig Parkplätze ausgewiesen.

Ortsplanerische Mängel

Auf letztere Kritikpunkte des Klägers geht das Gericht in seinem Urteil gar nicht mehr ein. Offenbar erscheinen den Richtern schon Kempfs Hauptargumente überzeugend genug: Die vorgesehene Bebauung wäre geeignet gewesen, ihm erheblich Licht und Luft zu rauben und den sozialen Frieden zu stören, heißt es sinngemäß in der Begründung. Angelehnt an diesen Befund erkennt das Gericht offenkundig erhebliche ortsplanerische und städtebauliche Mängel im Bebauungsplan: »Hinreichende« Zielsetzungen seien ihm »schwer zu entnehmen«.
Anders als die Gemeinde argumentiert, liege nämlich auf der Hangseite der Hauptstraße keineswegs eine geschlossene Bebauung vor, die eine ebensolche gegenüber rechtfertigen könnte. Es gehe auf dieser Seite vielmehr darum, so die drei Richter, die im Juni eigens aus München nach Heimbuchenthal gereist waren, »einen ortsplanerisch adäquaten Abschluss zum reizvollen Talgrund zu finden«.
Wie geht es weiter in nach dieser höchstrichterlichen Abfuhr für Gemeinde und Gemeinderat? Bürgermeister Rüdiger Stenger (FW) schließt eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen die Nichtzulassung der Beschwerde aus. Ansonsten will er das erst gestern bei ihm eingegangene Urteil analysieren, bevor er Stellung nimmt.

»Überall, nur nicht bei uns«

Nur so viel schon: »Wir wollten doch nur die Belange der Bürger berücksichtigen.« Deshalb habe man sich für einen Plan entschieden, der geschlossene Reihenhäuser ermöglicht - »auch für nicht so finanzkräftige« Bauherren. »Offenbar dürfen solche Häuserreihen überall stehen - in Obernau oder in Erlenbach zum Beispiel, nur nicht bei uns.« Der Gemeinderat müsse nun darüber entscheiden, ob man einen dritten Anlauf für einen Bebauungsplan wagt.
Manfred Kempf gibt sich unterdessen ungewohnt zurückhaltend: »Wir hoffen, dass jetzt Ruhe einkehrt«, sagt er bloß. Dass sein direkter Nachbar nun nach geltendem Recht auch ohne Bebauungsplan bauen dürfte, ficht ihn nicht an: Der Neubau müsste sich Kempfs Haus quasi zum Vorbild nehmen. Jens Raab

Hintergrund: Der lange Streit um den Bebauungsplan Hauptstraße-Mitteldorf

Es geht in erster Linie um eine Handvoll Grundstücke mit einer Gesamtbreite von 70 Metern und einer Tiefe von 30 bis 40 Metern, die an der Heimbuchenthaler Hauptstraße auf der Talseite nahe am Kurparksee liegen und auf der teils Schuppen und Garagen stehen. Als Mitte der 90er Jahre der Nachbar von Manfred Kempf (Hausnummer 98) sein Grundstück bebauen wollte, wehrte sich Kempf gegen dieses Vorhaben, das später aufgegeben wurde.
Diesen Konflikt, es ging Bauabstände und die angeblich »erdrückende« Wirkung des geplanten Neubaus, nahm die Gemeinde - im Bestreben, Baulücken innerorts zu schließen - zum Anlass, 2006 einen Bebauungsplan für das »Hauptstraße-Mitteldorf« genannte Gebiet aufzustellen. Gegen diesen ging Kempf in einem erstenNormenkontrollverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vor, erfolgreich: Wegen eines Formfehlers, wie die Gemeinde stets betonte (vorgesehen war ein »dörfliches Mischgebiet« mit niedrigeren Lärmschutzauflagen), hob sie den ersten Plan 2007 auf - auf ihre Kosten. Kurze Zeit später beschloss der Gemeinderat einen neuen B-Plan, diesmal als »allgemeines Wohngebiet« mit einer Gesamtfläche von knapp 3300 Quadratmetern.
Wieder wehrte sich Manfred Kempf dagegen: Der neue »engstirnige« Plan wiederhole die Fehler des alten und »erdrücke« mit einem geschlossenen Reihenhauskomplex nicht nur sein Anwesen, sondern sei schädlich für die gesamte Dorfentwicklung. 2009 erklärte er, es gehe mehr als um persönliche Interessen, sondern um »Visionen« für die Hauptstraße. Diese leide unter Enge, Verkehr, Hässlichkeit und Wegzug. Kempf sammelte 151 Unterschriften für eine»lebenswerte Hauptstraße«. In der Folge gab sich Kempf als »Sprecher« einer »Bürgerinitiative« und fiel mit heftiger, teils ausfälliger Kritik am Gemeinderat auf. Dieser bezweifelte Kempfs Rückhalt in der Bevölkerung.
Davon unberührt lief Kempfs Normenkontrollverfahren gegen den zweiten B-Plan, das er nun für sich entschieden hat. (Jens Raab)